Neues Urheberrecht in Kraft! Was bringt uns das UrhDaG?

02.08.2021

Das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes ist am 07.06.2021 in Kraft getreten. Ebenfalls beschlossen wurden damit neue Regelungen für Plattformen, auf denen die User urheberrechtlich geschützten Content hochladen. Die neuen Regelungen hierzu finden sich in einem eigenen Gesetz, dem Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), das am 01.08.2021 in Kraft getreten ist. Dort finden sich insbesondere Regelungen zu den in der Öffentlichkeit viel diskutierten Upload-Filtern. Aber auch andere Regelungen waren und sind Gegenstand breiter Diskussionen. Die gesetzliche Umsetzung lässt außerdem viele Detail-Fragen zunächst ungeklärt. Ein Überblick:

Bisher: Plattformbetreiber nicht in der Haftung

 

Diensteanbieter, die Plattformen betreiben, auf denen die Nutzer selbst direkt Content hochladen können (sog. User Generated Content), befanden sich bisher in einer privilegierten Stellung. Anders als die Betreiber „normaler“ Webseiten waren Sie für die von den Nutzern hochgeladen Inhalte zunächst urheberrechtlich nicht verantwortlich.

 

Entdeckte also ein Urheber oder Rechteinhaber (z.B. ein Verlag, eine Bildagentur oder eine Plattenfirma), dass ein Dritter rechtswidrig etwas auf YouTube oder Facebook hochgeladen hatte, konnte er die Plattformen zwar zur Löschung auffordern. Sofern die Plattform dieser Löschungsaufforderung dann aber nachkam, bestanden keine weitergehenden Ansprüche des Rechteinhabers gegen die Plattform (insbesondere also auch kein Schadensersatzanspruch für die unberechtigte Nutzung des Werkes). Der Rechteinhaber konnte sich in diesem Fall zwar mit seinen Forderungen theoretisch direkt an den Nutzer wenden, der die Rechtsverletzung durch das Hochladen ursprünglich begangen hatte. In der Praxis scheiterte die Durchsetzung solcher Ansprüche aber in aller Regel daran, dass die (anonymen) Nutzer der Plattformen nicht ermittelt werden konnten.

 

Jetzt: Plattformen in der Haftung

 

Hier greift das UrhDaG nun ein und begründet eine grundsätzliche Haftung der Plattform direkt. Im Grunde gilt damit jetzt dann für die Plattformen mit User Generated Content das, was für andere „normale“ Webseiten mit eigenem Content schon immer gilt. Die weitere Haftung des Nutzers als Rechtsverletzer bleibt im Übrigen hiervon unberührt.

 

Deshalb: Kontroll-Mechanismen erforderlich

 

Diese direkte Verantwortlichkeit der Plattformen führt nunmehr zwangsläufig dazu, dass die Plattformen Kontroll-Mechanismen einführen müssen, um das Hochladen und damit die unberechtigte Nutzung fremder Werke zu verhindern. Die Befürchtung und Anlass vieler Diskussionen hierbei ist, dass durch solche automatischen Kontroll-Mechanismen in Form von Upload-Filtern auch Inhalte durch die Plattformen gefiltert werden, die eigentlich trotz der darin enthaltenen Werke rechtmäßig benutzt werden dürfen (sog. Overblocking).

 

Kritik: Zensur des freien Internets?

 

In der Diskussion um diese Upload-Filter wurde vor allem die Befürchtung geäußert, dass damit die freie Meinungsäußerung im Internet zensiert werden könnte.

 

Was hierbei oft übersehen wird: Bei dem Hochladen fremder Fotos, Bilder, Gedichte und sonstiger Werke (auch in Form sogenannter Memes, die zur Meinungsbildung beitragen sollen) handelte es sich schon immer und auch weiterhin grundsätzlich in vielen Fällen um Urheberrechtsverletzungen. Die Einführung des UrhDaG ändert hieran letztlich wenig und erweitert sogar die zulässigen Darstellungsformen für solche Beiträge (dazu unten). Bereits bisher waren also eigentlich die Nutzer (theoretisch, da im Einzelfall eben kaum ermittelbar) direkt für solche Urheberrechtsverletzungen haftbar. Lediglich die Plattformbetreiber selbst konnten sich einer Haftung hierfür entziehen.

 

Mit anderen Worten: Es wird also nichts künftig verboten, was bisher erlaubt war. Es werden zukünftig lediglich die Plattformen auch mit in die Haftung für rechtswidrig hochgeladene Inhalte genommen.

 

Möglichkeit der Befreiung aus der Haftung durch Lizenzierung

 

Aus dieser Haftung wiederum können sich die Plattformbetreiber gemäß einem im UrhDaG festgelegten System befreien, wenn sie Nutzungsrechte für die von den Nutzern hochgeladen Inhalte einholen oder sich zumindest bestmöglich hierum bemühen.

 

Weitere Pflichten der Plattformbetreiber zur Blockierung

 

Zudem müssen die Plattformbetreiber durch sogenannte qualifizierte Blockierung dafür sorgen, dass Werke, bei denen die Rechteinhaber dies verlangen, erst gar nicht hochgeladen und damit wiedergegeben werden können (stay down) und/oder wenn diese bereits hochgeladen wurden, die Wiedergabe beendet wird (take down).

 

Ausnahmen: Zitate, Parodien, Pastiches

 

Weiterhin und ohne Zustimmung der Urheber (oder sogar entgegen einem ausdrücklichen Sperrverlangen) erlaubt sind öffentliche Wiedergaben, die im urheberrechtlichen Sinne als Zitate, Karikaturen, Parodien oder (neu) Pastiches einzuordnen sind.

 

Vermeidung des Overblocking mutmaßlich erlaubter Nutzungen

 

Um das Risiko eines befürchteten Overblocking zu verringern, enthält das UrhDaG außerdem Definitionen bestimmter „mutmaßlich erlaubter Nutzungen“. Hierunter fallen z.B. Inhalte, bei denen Werke miteinander kombiniert werden und in denen Werke Dritter nur zu geringem Anteil enthalten sind (z.B 15 Sekunden eines Films oder einer Musikaufnahme, bis zu 160 Zeichen eines Textes oder Fotos mit einer Dateigröße von bis zu 125 KByte). Bei solchen Nutzungen geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass der Eingriff in die Urheberrechte Dritter allenfalls geringfügig ist und zudem der erste Anschein dafür spricht, dass eine erlaubte Nutzung (z.B. Zitat, Parodie oder Pastiche) vorliegt.

 

Beschwerdeverfahren für Zweifelsfälle

 

Für Fälle, in denen entweder der Rechteinhaber die öffentliche Wiedergabe seines Werkes oder aber der „zensierte“ Nutzer die Blockierung seines Beitrages für unrechtmäßig hält, muss der Diensteanbieter ein internes Beschwerdeverfahren ermöglichen.

 

Erlösbeteiligung der Urheber und Kreativen

 

Weiteres erklärtes Ziel des UrhDaG ist es, die Urheber und Kreativen an den Erlösen, die auf den Plattformen erzielt werden, angemessen zu beteiligen. Auch dies stellt im Grundsatz nichts Neues dar. Urheber und Kreative haben grundsätzlich immer einen gesetzlichen Anspruch auf Beteiligung an Erlösen, die Dritte mit der Verwertung ihrer Werke erzielen. Das Problem bisher war de facto, dass sich die Nutzer der jeweiligen Plattformen als eigentliche Rechtsverletzer praktisch kaum ermitteln und damit auch nicht in Anspruch nehmen ließen und die Plattformen aufgrund der bisher geltenden Haftungsprivilegierung für die Urheberrechtsverletzung nicht verantwortlich und damit auch nicht lizenzpflichtig oder schadensersatzpflichtig waren.

 

Lizenzerwerb und Lizenzzahlungen

 

Plattformbetreiber, die auch künftig einer Haftung entgehen wollen, sind gemäß dem UrhDaG verpflichtet, vertragliche Nutzungsrechte für die öffentlichen Wiedergaben der Werke (Lizenzen) zu erwerben. Dies kann entweder direkt bei den Urhebern oder Verwertern (Verlagen, Agenturen, Plattenlabels) erfolgen oder über Verwertungsgesellschaften. Das Gesetz zwingt daher die Plattformbetreiber, sofern diese nicht selbst für die Inhalte haften möchten, an den „Verhandlungstisch“, um mit den Rechteverwertern Lizenzverträge auszuhandeln. Die Plattformbetreiber stehen also gewissermaßen vor der Wahl: Wenn sie nicht zahlen wollen, müssen sie haften. Wollen sie nicht haften, müssen sie zahlen.

 

Zudem Direktvergütungsanspruch

 

Problematisch kann sein, dass solche Lizenzzahlungen aber dann noch lange nicht und insbesondere nicht in voller Höhe bei den tatsächlichen Urhebern und Kreativen ankommen. Erwirbt z.B. eine Plattform von einem Major-Plattenlabel entsprechende Lizenzen am gesamten Label-Repertoire, ist damit noch nichts darüber gesagt, ob das Plattenlabel entsprechende Anteile wirklich in angemessener Höhe an die beteiligten Musiker ausschüttet. Hier soll den Urhebern und Kreativen ein Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen weiterhelfen. Dieser kann jedoch gegenüber den Plattformen (für die Urheber und Kreativen) nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

 

Weitere Vergütungen für erlaubte und mutmaßlich erlaubte Nutzungen

 

Ergänzt werden die Erlösbeteiligungen zunächst durch Vergütungsansprüche für erlaubte (und somit nicht lizenzierte, aber dennoch zulässige) Wiedergaben von Karikaturen, Parodien und Pastiches.

 

Zudem bestehen des Weiteren auch für die mutmaßlich erlaubten Nutzungen (kombinierte Werke in denen Werke Dritter nur geringfügig benutzt werden) Vergütungsansprüche der Urheber und Kreativen.

 

Auch diese weiteren Vergütungsansprüche für erlaubte und mutmaßlich erlaubte Nutzungen können nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

 

Kritik und offene Fragen

 

Für wen gilt es?

 

Einer der ersten Kritikpunkte richtet sich bereits darauf, dass das Gesetz leider nicht eindeutig definiert, für welche Plattformen als Diensteanbieter es überhaupt anwendbar ist. Klar ist, dass z.B. YouTube eindeutig erfasst ist. Bereits für Facebook ist dies jedoch etwas umstritten, wenngleich vieles dafür spricht, dass das UrhDaG auch für Facebook gilt.

 

Per Definition findet das Gesetz Anwendung auf solche Diensteanbieter deren Hauptzweck es ist, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen, diese zu organisieren und zum Zwecke der Gewinnerzielung zu bewerben, und die mit Online-Inhaltediensten um dieselben Zielgruppen konkurrieren.

 

Unklar könnte sein, ob beispielsweise auch Internetforen oder klassische Webseiten mit Kommentar-Funktion hierunter fallen. Auch hier können große Mengen urheberrechtlich geschützter Inhalte (z.B. Texte, Bilder) von Dritten hochgeladen werden. Auch hier werden diese Inhalte unter Umständen organisiert und wird Werbung eingebunden. Gleichwohl spricht vieles dafür, diese Dienste vom Anwendungsbereich des UrhDaG auszuklammern. Denn ein Internetforum oder eine Website mit Kommentar-Funktion konkurriert nicht mit einem Audio-Streamingdienst wie z.B. Spotify oder einem Video-Streamingdienst wie Netflix. Auch ist es nicht der Hauptzweck eines Internetforums oder einer Website mit Kommentar-Funktion gerade mit der urheberrechtlichen Verwertung der hochgeladen Inhalte Gewinne zu erzielen. Vielmehr dienen solche Dienste dem Meinungsaustausch und der Information. Zugegebenermaßen kann (und wird) sich aber sicherlich auch Facebook diese Argumentation zu Eigen machen, so dass mutmaßlich die Gerichte klären müssen, für welche Plattformen das Gesetz nun wirklich Anwendung findet und für welche nicht.

 

Wer erteilt Lizenzen?

 

Ebenfalls in weiten Teilen zumindest bislang ungeklärt ist, welche Verwertungsgesellschaften die neuen Lizenzen nach dem UrhDaG erteilen und für welche Urheber dies dann jeweils gilt. Schließlich sind viele Urheber und Kreative gar keine Mitglieder in solchen Verwertungsgesellschaften. Abhilfe sollen hier sog. Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung bringen. Hierdurch könnten Plattformbetreiber von den Verwertungsgesellschaften auch Rechte an Inhalten erwerben, deren Rechtsinhaber die Verwertungsgesellschaft gar nicht mit der Rechtevergabe beauftragt haben. Wie sich dies in der Praxis einspielen und umsetzen wird, bleibt abzuwarten.

 

Kritik wegen Bagatellgrenzen für mutmaßlich erlaubte Nutzungen

 

Kritik kommt schließlich insbesondere von Fotografen wegen der Bagatellgrenze von 125 Kbyte für Bilder. Immerhin genügt ein solches Datenvolumen für die Zwecke der kleinformatigen Bilddarstellung gerade in Sozialen Netzwerken in den meisten Fällen vollkommen. Die Befürchtung geht hier dahin, dass durch die Einordnung solcher Nutzungen als mutmaßlich erlaubt eine „Entrechtung“ der Urheber solcher Werke einhergeht.

 

Fazit

 

Es ist grundsätzlich richtig, dass Plattformen für Inhalte, mit denen sie Geld verdienen, auch haften oder zumindest bezahlen sollen.

 

Ob die Urheber und Kreativen über die im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Vergütungsansprüche tatsächlich an diesen Erlösen partizipieren können, wird sich zeigen müssen.

 

Viele Details der neuen Regelungen wird die Rechtsprechung noch zu klären haben.

 

Es bleibt also spannend!

 

 

 

In Urheberrecht