BGH zum Filesharing: Anschlussinhaber wird nicht als Täter vermutet.

20.03.2017

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 6.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife) hat sich erneut zur Haftung für Filesharing geäußert und hierbei insbesondere Eheleute und Familien weiter entlastet. Der Anschlussinhaber gab an, kein Filesharing betrieben zu haben. Seine Ehefrau konnte aber auf den Anschluss zugreifen und habe dies auch getan. Die Ehefrau stritt die Rechtsverletzung auch ab. Dennoch verneinte der BGH jede Haftung des Anschlussinhabers. Sein Vortrag war ausreichend, um sich selbst zu entlasten. Innerhalb der Familie gilt keine strenge Kontrollpflicht.

Zunächst räumte der BGH die von einigen Gerichten angenommene typischen Täterschaftsvermutung des Anschlussinhabers aus der Welt:

  • „Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs.“

Allerdings betont der BGH:

  • „Da es sich bei der Nutzung des Anschlusses um Interna des Anschlussinhabers handelt, von denen der Urheberrechtsberechtigte im Regelfall keine Kenntnis hat, obliegt dem Anschlussinhaber insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast.“

Und die Reichweite dieser Darlegungslast war bislang äußerst umstritten. Manche Gerichte forderten, der Anschlussinhaber müsse „Ross und Reiter“ benennen, also dem Abmahner den Täter liefern. Dies hat der BGH aber schon früher als zu streng revidiert. Zuletzt forderten dennoch weiterhin Gerichte, der Anschlussinhaber müsse Nachforschungen anstellen, also z.B. den Computer der Ehefrau auf das Vorhandensein von Filesharing-Software untersuchen. Auch dies lehnte der BGH jetzt ab.

Erforderlich aber auch ausreichend ist es, grundsätzlich die Personen zu benennen, die Zugriff auf den Anschluss nehmen können. Zu den genauen Zeiten der angeblichen Rechtsverletzung muss nicht weiter konkret ausgeführt werden. Auch der Computer muss nicht untersucht werden:

  • „Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Ehefrau hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täterin der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommt, waren dem Beklagten nicht zumutbar.“

Und weiter:

  • „Es ist dem Inhaber eines privaten Internetanschlusses nicht zumutbar, die Internetnutzung seines Ehegatten einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen.“

Begründet hat der BGH diese Entscheidung (auch) mit dem Verweis auf den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie:

  • „Werden dem Anschlussinhaber zur Abwendung seiner täterschaftlichen Haftung im Rahmen der sekundären Darlegungslast Auskünfte abverlangt, die das Verhalten seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer zivil- oder strafrechtlichen Inanspruchnahme aussetzen, ist der Schutzbereich dieser Grundrechte berührt.“

Somit bleibt leider wiederum etwas fraglich, inwieweit sich diese Grundsätze auf den außerfamiliären Bereich (Partnerschaften, Wohngemeinschaften, etc.) übertragen lassen.

Ebenfalls leider weitgehend unberücksichtigt blieb bei der BGH-Entscheidung die Tatsache, dass der Anschlussinhaber sich auch auf eine bekannte Sicherheitslücke seines Routers berufen hatte. Das erstinstanzlich befasste Amtsgericht Braunschweig hatte die Klage schon hieran scheitern lassen und ging davon aus, bereits dieser (im konkreten Fall substantiierte) Vortrag reiche aus, um einer Haftung als Anschlussinhaber zu entgehen. Das Landgericht Braunschweig und der BGH hingegen machten die fehlende Haftung dann an der Möglichkeit der Begehung durch die Ehefrau (trotz deren Bestreitens) fest.

Das Urteil zeigt jedenfalls, dass mit der richtigen Verteidigungsstrategie sich Ansprüche wegen angeblichem Filesharing oft zurückweisen lassen.

Der Volltext der BGH-Entscheidung (BGH, Urteil vom 6. 10. 2016 – I ZR 154/15 – Afterlife) findet sich hier.

 

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